Als Ray Tomlinson im Oktober 1971 den ersten elektronischen Brief versendet hat, wurde er nicht nur zum Erfinder der E-Mail gekürt, sondern hat dadurch die Art der Informationsverteilung für immer verändert. Informationen, welche früher noch via Brief, Telegramm oder dann später mit Fax versendet wurden, konnten nun mit der E-Mail 1000-mal schneller ans andere Ende der Welt gesendet werden. Diese Revolution der Kommunikation war aber auch die Geburt eines sehr weit verbreiteten Mythos:
«E-Mail ist ein Echtzeit-Kommunikationsmittel»
Oder in anderen Worten: Mails kommen immer sofort beim Empfänger an, es geht nur ein oder zwei Sekunden und dann sieht der Empfänger meine Mail und kann darauf reagieren.
Auch wenn zu 90% oder mehr eine Mail immer sehr schnell auf der Empfängerseite ankommt, kann dies nie sicher gesagt werden, aber später mehr dazu, jetzt noch kurz ein kleiner Exkurs.
Echtzeit-Kommunikationsmittel was?
Als Echtzeit-Kommunikation wird eine Form der Kommunikation definiert, bei welcher Anwender Informationen sofort oder mit einer zu vernachlässigen Verzögerung austauschen können. Zum Beispiel, wenn man ein Telefonat führt, können alle teilnehmenden Parteien sofort Informationen austauschen.
Wichtig ist, dass der Austausch auf beide Seiten funktioniert bzw. möglich ist. Sonst ist dies keine Echtzeit-Kommunikation. Ein weiteres Beispiel ist ein Messenger wie WhatsApp oder Threema. Hier können die Parteien immer und sofort kommunizieren.
Aber das geht doch auch bei der E-Mail?
Bei der E-Mail kann zwar jeder Informationen austauschen, ähnlich wie bei einem Messenger von heute. Jedoch kommen bei der E-Mail noch weitere Faktoren dazu, welche bei der Zustellung einer Nachricht beachtet werden müssen.
Einer dieser Faktoren könnte eine automatische SPAM- oder Virus-Erkennung sein. Diese könnte eine Mail löschen oder in den SPAM-Ordner verschieben, ohne dass der Empfänger dies mitkriegt und somit die Mail nicht sieht. Die Nachricht ist somit nicht angekommen und beide Parteien warten nun auf eine Reaktion, welche aber nicht stattfinden kann. Dies ist bei einem Instant Messenger oder auch bei einem Telefonat nicht möglich.
Die 5 Probleme bei der E-Mail
Wenn eine E-Mail versendet wird, geht man davon aus, dass die versendete Information sofort beim Empfänger eintrifft und diese auch sofort bearbeitet wird. Der Versand dauert ja nur ein paar Sekunden (gefühlt) und die Nachricht war so verständlich geschrieben, das kann man nicht falsch verstehen. Dies denkt man gerne, ist jedoch nicht immer der Fall.
Kommuniziert man via E-Mail, muss man eigentlich nach jeder Nachricht die folgenden Fragen im Hinterkopf haben:
- Kommt die E-Mail überhaupt beim Empfänger an? Wenn ja – wann?
- Wann wird die E-Mail gelesen?
- Wann hat der Empfänger Zeit, diese zu bearbeiten?
- Wurde die E-Mail vom Empfänger richtig verstanden?
- Wann kommt die Antwort zurück?
Dies sind alles offene Fragen, welche man sich selber nicht beantworten kann ausser man erfragt diese bei der empfangenden Partei z.B. via Telefon.
Kommt eine E-Mail nicht an, kann dies die verschiedensten Gründe haben. Sei es die eigene Internetleitung, der eigene Mailserver oder Mailgateway aber möglich wäre es auch, dass die Fehlerquelle auf der Gegenseite liegt.
Eines der grössten Probleme meiner Meinung nach sind immer noch die Missverständnisse, welche durch die Kommunikation via E-Mail entstehen können und hier ist es immer noch am einfachsten, einfach kurz den Hörer in die Hand zu nehmen und das Ganze nochmals am Telefon zu besprechen.
Und warum ist das wichtig?
Kommen wir jetzt wieder zum Mythos zurück bzw. auf das, was ich eigentlich mit diesem Blog sagen möchte. E-Mail ist keine Echtzeit-Kommunikation, weil es nicht möglich ist, Informationen sofort und in beide Richtungen auszutauschen. Weiter entstehen durch die fünf oben genannten Fragen Wartezeiten, welche nicht bestimmbar sind. Somit können wir den Mythos schon einmal als unwahr kennzeichnen und zu den Akten legen (gleich neben den Ordner über das Bermudadreieck ).
Für mich ist es wichtig, dass die Anwender heutzutage verstehen, dass eine E-Mail zwar innerhalb von Sekunden vier Mal um die Erde gesandt werden kann. Kann… muss aber nicht. Ist man wirklich darauf angewiesen, dass eine Information in dieser Sekunde verteilt wird, kann man sich nicht auf die E-Mail verlassen, da zu viele Faktoren hier einen Streich spielen können. Hierfür gibt es schon viele Alternativen wie das Telefonat oder Programme wie Microsoft Teams, Webex etc. Auch werden immer mehr Messenger wie Threema Work, Signal oder Ähnliches im Arbeitsalltag eingesetzt, um zu kommunizieren.
Schreibt mir in den Kommentaren, was ihr im Arbeitsalltag einsetzt für die Echtzeit-Kommunikation und ob ein anderes Medium als E-Mail eine Verbesserung gebracht hat oder einfach alles komplizierter gemacht hat. Nimmt mich wunder, wie dies bei euch so funktioniert!
Der Beitrag Zweckentfremdung der E-Mail als Echtzeit-Kommunikationsmittel erschien zuerst auf Tec-Bite.